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Androhung der Übermittlung personenbezogener Daten durch Inkassounternehmen an Auskunfteien kann Unterlassungsansprüche begründen

Rechtsanwalt Tarek Alexander Issa • Sept. 07, 2020
Das Amtsgericht Westerstede hat sich im Rahmen eines Kostenbeschlusses gemäß § 91a ZPO (Beschluss vom 30.12.2019, Az. 27 C 660/19) mit der Frage der rechtlichen Zulässigkeit der Androhung der Weitergabe von personenbezogenen Daten durch Inkassounternehmen an Dritte, wie z.B. Auskunfteien, Dienstleister, Drittschuldner, Einwohnermeldeämter oder Gerichtsvollzieher befasst.

Nach den Ausführungen des Gerichts muss der mutmaßliche Schuldner eine Übermittlung von personenbezogenen Daten durch das Inkassounternehmen an Dritte, wie insbesondere eine Auskunftei wie die Schufa, vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die streitgegenständliche Forderung nicht hinnehmen.

Die Androhung einer solchen Datenübermittlung mit der Formulierung „sofern dies zum Einzug der Forderung erforderlich ist“ müsse vom Adressaten so verstanden werden, dass, auch aus Sicht eines verständigen und unvoreingenommenen Dritten, mit einer konkret bevorstehenden Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts in Form der Weitergabe der personenbezogenen Daten zu rechnen sei.

Was war passiert?
Der mutmaßliche Schuldner und Verfügungskläger hatte außergerichtlich ein Aufforderungsschreiben einer Inkassogesellschaft erhalten. Dieses Schreiben enthielt ein mit „Darlegungs- und Informationspflichten gem. § 11a RDG“ überschriebenes Beiblatt mit der folgenden Formulierung: „Im Rahmen des Inkassoverfahrens werden wir Ihre Daten an unseren Auftraggeber…und ggf. folgende Kategorien von Empfängern übermitteln, sofern dies zum Einzug der Forderung erforderlich ist: Abtretungsempfänger; Auskunfteien, Dienstleister, Drittschuldner, Einwohnermeldeämter, Gerichte, Gerichtsvollzieher, Rechtsanwälte.“

Der Verfügungskläger forderte daraufhin das Inkassounternehmen unter Fristsetzung zur Unterlassung der Übermittlung seiner personenbezogenen Daten auf. Hierauf reagierte das Inkassounternehmen nicht.

Der Verfügungskläger beantragte daraufhin den Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Amtsgericht Westerstede. Das Gericht hat die einstweilige Verfügung antragsgemäß erlassen. Das verfügungsbeklagte Inkassounternehmen hat daraufhin Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung eingelegt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärte die Verfügungsbeklagte, dass ohne einen rechtkräftig festgestellten Anspruch keine personenbezogenen Daten des Verfügungsklägers weitergegeben würden. Daraufhin erklärte der Verfügungskläger den Rechtsstreit für erledigt. Die Verfügungsbeklagte schloss sich dieser Erledigungserklärung an.

Entscheidung des Gerichts: Verfügungsbeklagtes Inkassounternehmen trägt die Kosten des Rechtsstreits
Nach den Erledigungserklärungen der Parteien hatte das Gericht gemäß § 91a ZPO nach billigem Ermessen über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden. Das Gericht entschied, dass das beklagte Inkassounternehmen nach dem bisherigen Sach- und Streitstand im Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen gewesen wäre. Die Kosten des Rechtsstreits seien somit von dem Inkassounternehmen zu tragen.

Der Verfügungskläger habe gegen das verfügungsbeklagte Inkassounternehmen einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 analog, § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG. Die Übermittlung personenbezogener Daten stelle eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar, die der Verfügungskläger in der von der Verfügungsbeklagten angekündigten Form nicht hinnehmen müsse.

Rechtlich zulässig sei hier lediglich eine Weitergabe von personenbezogenen Daten, die das beklagte Inkassounternehmen zur gerichtlichen Geltendmachung der gegenständlichen Forderung im Rahmen des von der mutmaßlichen Gläubigerin erteilten Auftrages vornehmen dürfte, z.B. zum Zwecke der Durchführung eines gerichtlichen Mahnverfahrens. Die Ankündigung der Verfügungsbeklagten sei jedoch auf eine solche zulässige Weitergabe nicht beschränkt. Die Beklagte spreche allgemein von einer Übermittlung, „sofern dies zum Einzug der Forderung erforderlich ist“. Hiernach musste der Verfügungskläger – auch aus der hier maßgeblichen Sicht eines unvoreingenommenen Dritten – mit einer konkret bevorstehenden Beeinträchtigung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts rechnen. Entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten könne dem Schreiben gerade nicht entnommen werden, dass keine Weitergabe der personenbezogenen Daten ohne rechtskräftigen Titel erfolge. In dem Schreiben hatte die Verfügungsbeklagte „weitere Maßnahmen“ angekündigt, sofern keine fristgemäße Zahlung erfolgen werde.

Nach Ansicht des Gerichts bestand zudem auch der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund. Nachdem das Inkassounternehmen nicht auf die außergerichtliche Aufforderung des Verfügungsklägers reagiert hatte, musste der Verfügungskläger von einer rechtswidrigen Weitergabe seiner Daten an Dritte ausgehen, sodass die erforderliche Dringlichkeit für den Erlass einer einstweiligen Verfügung bestand.

Praktische Hinweise
Zahlungsaufforderungen von Inkassobüros können mitunter mehrdeutige Formulierungen enthalten. Der mutmaßliche Inkassoschuldner muss (im Einzelfall zu prüfende) Formulierungen, die aus Sicht eines verständigen und unvoreingenommenen Dritten datenschutzrechtliche Verstöße befürchten lassen, grundsätzlich nicht hinnehmen. Dies kann auch dann gelten, wenn das Inkassobüro, wie im vorliegenden Fall, tatsächlich keine Übermittlung personenbezogener Daten an Dritte beabsichtigt hatte.

Die Frage der Zulässigkeit eines möglichen zivilgerichtlichen Vorgehens sollte jedoch vorab sorgfältig geprüft werden. Es ist derzeit noch umstritten, ob Verstöße gegen die DSGVO mittels des Unterlassungsanspruchs nach §§ 1004 Abs. 1 analog, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einer Verletzung der jeweiligen DSGVO-Vorschrift vom Betroffenen zivilgerichtlich geltend gemacht werden können. Nach einer jüngst veröffentlichten Entscheidung des VG Regensburg (VG Regensburg, Gerichtsbescheid v. 06.08.2020, Az. RN 9 K 19.1061) schließe Art. 79 DSGVO weitere gerichtliche Rechtsbehelfe gegen Verantwortliche und Auftragsverarbeiter aus, so dass Unterlassungsklagen nach §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB im Bereich des Datenschutzes grundsätzlich nicht mehr möglich seien. Das AG Westerstede hat den Unterlassungsanspruch des Klägers hier auf §§ 1004 Abs. 1 analog, 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers, also nicht ausdrücklich auf eine Verletzung von Vorschriften der DSGVO gestützt. Mögliche zivilrechtliche Unterlassungsansprüche wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG kann der Betroffene grundsätzlich auch im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unter den Voraussetzungen der §§ 935, 940 ZPO zivilgerichtlich geltend machen.

Die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Weitergabe personenbezogener Daten wegen offener und unbestrittener Forderungen (sogenannte Einmeldung) an Auskunfteien beurteilt sich nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO (vgl. hierzu den Beschluss der Datenschutzkonferenz (DSK) vom 23.03.2018). Die Einmeldung muss danach zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich sein. Zudem dürfen die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, nicht überwiegen. Das bedeutet, dass eine Abwägung unter Berücksichtigung dieser Kriterien im Einzelfall vorzunehmen ist. Im Rahmen dieser Einzelfallprüfung entfalten nach Ansicht der DSK die nachfolgenden Fallgruppen eine Indizwirkung für eine zulässige Einmeldung:

1. Die Forderung ist durch ein rechtskräftiges oder für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil festgestellt worden oder es liegt ein Schuldtitel nach § 794 der Zivilprozessordnung vor.

2. Die Forderung ist nach § 178 der Insolvenzordnung festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden.

3. Der Betroffene hat die Forderung ausdrücklich anerkannt.

4. Der Betroffene ist nach Eintritt der Fälligkeit der Forderung mindestens zweimal schriftlich gemahnt worden, die erste Mahnung liegt mindestens vier Wochen zurück, der Betroffene ist zuvor, jedoch frühestens bei der ersten Mahnung, über eine mögliche Berücksichtigung durch eine Auskunftei unterrichtet worden und der Betroffene hat die Forderung nicht bestritten.

5. Das der Forderung zugrunde liegende Vertragsverhältnis kann aufgrund von Zahlungsrückständen fristlos gekündigt werden und der Betroffene ist zuvor über eine mögliche Berücksichtigung durch eine Auskunftei unterrichtet worden.

Zusätzliche Anhaltspunkte oder Hinweise können ggf. zu einer anderen Abwägung führen.

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