Blog Post

Reaktionsmöglichkeiten nach Erhalt einer einstweiligen Verfügung im Wettbewerbsrecht

Rechtsanwalt Tarek Alexander Issa • Sept. 10, 2018
1. Einführung

Der Beitrag soll einen kurzen Überblick zu grundlegenden prozessualen Reaktionsmöglichkeiten des Antragsgegners nach Erhalt einer einstweiligen Verfügung im Wettbewerbsrecht vermitteln. Welche Vorgehensweise im Einzelfall rechtlich und wirtschaftlich sinnvoll ist, muss stets anhand der jeweiligen konkreten Umstände beurteilt werden.

2. Bedeutung der einstweiligen Verfügung im Wettbewerbsrecht


Die einstweilige Verfügung im Wettbewerbsrecht sichert dem jeweiligen Antragsteller, also insbesondere einem Mitbewerber (vgl. § 8 Abs. 3 Nr. 1) oder einem nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugten Verband, im Wege des gerichtlichen Eilrechtsschutzes einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 UWG gegen den Antragsgegner.

§ 12 Abs. 2 UWG bestimmt dabei als rechtliche Erleichterung für den Antragsteller, dass dieser, statt wie sonst im Falle der einstweiligen Verfügung nach §§ 935, 940 ZPO, die erforderliche Eilbedürftigkeit der gerichtlichen Maßnahme als sogenannten Verfügungsgrund nicht darlegen und glaubhaft machen muss, sondern dass diese Eilbedürftigkeit im Anwendungsbereich des § 12 Abs. 2 UWG zugunsten des Antragstellers vermutet wird. Grundsätzlich muss der Antragsteller hier somit nur das Bestehen eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs darlegen und glaubhaft machen. Auch diese rechtliche Erleichterung mag dazu führen, dass im Wettbewerbsrecht ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung häufig als „Mittel der Wahl“ angesehen wird.

Eine einstweilige Verfügung kann vom Gericht ohne mündliche Verhandlung erlassen werden. Sie wird dann grundsätzlich durch ordnungsgemäße Zustellung an den Antragsgegner (sogenannte Vollziehung) innerhalb eines Monats nach ihrer Zustellung im Parteibetrieb an den Antragsteller wirksam (vgl. §§ 928, 929 Abs. 2, 936 ZPO).

3. Drei prozessuale Reaktionsmöglichkeiten des Antragsgegners nach Erhalt einer einstweiligen Verfügung

Nach Erhalt einer einstweiligen Verfügung sollte die Angelegenheit stets umgehend einem Anwalt zur Prüfung der Sach- und Rechtslage vorgelegt werden. Der Anwalt kann erforderlichenfalls bei Gericht Akteneinsicht beantragen und sich so einen Überblick über den bisherigen gerichtlichen Verfahrensgang verschaffen. Je nach Ausgang der rechtlichen Prüfung kommen grundsätzlich insbesondere folgende prozessuale Reaktionsmöglichkeiten in Betracht.

3.1. (Voll-)Widerspruch

Ein Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung nach §§ 924 Abs. 1, 936 ZPO kommt insbesondere dann in Betracht, wenn eine vom Antragsgegner vorgenommene rechtliche Prüfung ergeben hat, dass die einstweilige Verfügung zu Unrecht ergangen ist oder nicht ordnungsgemäß vollzogen, also zugestellt, wurde.

In der Praxis kommt es im Rahmen der Zustellung der einstweiligen Verfügung immer wieder zu Fehlern des Antragstellers, z. B. weil die einstweilige Verfügung nicht vollständig, nicht fristgemäß oder an den falschen Adressaten (bei vorhandener Zustellungsvollmacht muss an den Rechtsanwalt des Antragsgegners zugestellt werden) zugestellt wurde. Bei nicht geheilten Zustellungsmängeln ist die einstweilige Verfügung nach einem Widerspruch des Antragsgegners grundsätzlich vom Gericht aufzuheben.

Die Einlegung des Widerspruchs unterliegt keiner Frist; bei sehr langem Zuwarten des Antragsgegners kommt jedoch eine Verwirkung in Betracht. Der Widerspruch ist beim zuständigen Gericht, also bei dem Gericht, das die einstweilige Verfügung erlassen hat, durch einen Rechtsanwalt einzulegen und zu begründen. Durch Einlegung des Widerspruchs wird die Vollziehung der einstweiligen Verfügung nicht gehemmt (vgl. §§ 924 Abs. 3, 936 ZPO).

Das Gericht entscheidet über den Widerspruch nach mündlicher Verhandlung (vgl. § 924 Abs. 2 S. 2 ZPO) durch Urteil (vgl. § 925 Abs. 1 ZPO).

3.2. Kostenwiderspruch

Mit einem Kostenwiderspruch erkennt der Antragsgegner den gegnerischen Anspruch an (vgl. § 307 ZPO) und beschränkt seinen Widerspruch auf die vom Gericht ausgesprochene Kostenentscheidung.

Ein solcher Kostenwiderspruch kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Antragsgegner außergerichtlich nicht oder nicht ordnungsgemäß abgemahnt wurde, obwohl eine vorherige Abmahnung nicht entbehrlich war.

Sofern die gerichtliche Prüfung ergibt, dass der Antragsgegner den geltend gemachten Anspruch anerkennt und keine Veranlassung für die Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens gegeben hat, z. B. weil die in der Abmahnung gesetzte Frist zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung unangemessen kurz bemessen war oder weil dem Antragsgegner eine Abmahnung tatsächlich nicht zugegangen ist, können dem Antragsteller nach den Grundsätzen des § 93 ZPO die Kosten des Verfahrens auferlegt werden.

3.3. Aufhebung wegen veränderter Umstände

Eine Aufhebung der einstweiligen Verfügung wegen veränderter Umstände nach §§ 927, 936 ZPO kommt insbesondere dann in Betracht, wenn über das Nichtbestehen des Unterlassungsanspruchs in einem neben dem Verfügungsverfahren geführten Hauptsacheverfahren rechtskräftig entschieden wurde oder der Unterlassungsanspruch zwischenzeitlich verjährt ist, eine Änderung des Gesetzeslage eingetreten ist oder der Antragsgegner neue, erhebliche Tatsachen glaubhaft machen kann, die ihm bislang nicht zur Verfügung standen.

Vor einem Antrag auf Aufhebung wegen veränderter Umstände sollte der Antragsgegner dem Antragsteller außergerichtlich Gelegenheit geben, auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung zu verzichten. Andernfalls läuft der Antragsgegner bei einem sofortigen Anerkenntnis des Antragstellers wegen § 93 ZPO Gefahr, die Kosten eines möglicherweise nicht veranlassten Aufhebungsverfahrens tragen zu müssen.
von Rechtsanwalt Tarek Alexander Issa 25 Nov., 2020
Das LG Dresden hat mit Urteil vom 29.05.2020 (Az. 6 O 76/20) entschieden, dass die dort beklagte Klinik gegenüber der klagenden ehemaligen Patientin unentgeltlich Auskunft über die von der Klinik gespeicherten personenbezogenen Daten durch Übermittlung der vollständigen Behandlungsdokumentation im pdf-Format zu erteilen habe.
von Rechtsanwalt Tarek Alexander Issa 12 Nov., 2020
Die offenbar nicht im deutschen Handelsregister eingetragene "Digi Medien GmbH" mit Sitz in der Centerville Rd., New Castle County, 19808 Wilmington Delaware, USA, versendet derzeit zahlreiche Fax-Formulare für einen "Online-Brancheneintrag", "Business Eintrag" oder "Brancheneintrag Berlin" an Arztpraxen, andere Freiberufler und Unternehmen.
von Rechtsanwalt Tarek Alexander Issa 14 Sept., 2020
Die Datenschutzkonferenz (DSK), das Gremium der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder, hat eine neue Orientierungshilfe zur Videoüberwachung durch nicht-öffentliche Stellen veröffentlicht.
von Rechtsanwalt Tarek Alexander Issa 07 Sept., 2020
Das Amtsgericht Westerstede hat sich im Rahmen eines Kostenbeschlusses gemäß § 91a ZPO (Beschluss vom 30.12.2019, Az. 27 C 660/19) mit der Frage der rechtlichen Zulässigkeit der Androhung der Weitergabe von personenbezogenen Daten durch Inkassounternehmen an Dritte, wie z.B. Auskunfteien, Dienstleister, Drittschuldner, Einwohnermeldeämter oder Gerichtsvollzieher befasst.
von Rechtsanwalt Tarek Alexander Issa 19 Mai, 2020
Das OLG Köln hat mit Berufungsurteil vom 06.03.2020 (Az. 6 U 140/19) entschieden, dass die als Blickfang gestaltete Werbung auf der Webseite einer als GbR organisierten Zahnarztpraxis für einen „Zahnärztlichen Notdienst“ in ihrer dortigen konkreten Gestaltung irreführend i.S.d. § 5 Abs. 1 UWG und damit lauterkeitsrechtlich unzulässig ist. Die Werbung erwecke bei einem erheblichen Teil der angesprochenen Verbraucherkreise den Eindruck, dass es sich um einen von der Zahnärztekammer organisierten Notdienst handele. Die von den Beklagten genutzte Internetadresse lasse nicht erkennen, dass es sich um die Webseite einer Praxis oder Zahnklinik handele. Der durch „Runterscrollen“ zu erreichende Hinweis am Ende der Seite, dass es sich nicht um einen Notdienst der Kassenzahnärztlichen Vereinigung oder der örtlichen Zahnärztekammer handele, könne die Irreführung hier nicht beseitigen. Der Beitrag fasst die wesentlichen Erwägungen des OLG Köln aus seinem Berufungsurteil im Hinblick auf den Irreführungstatbestand nach §
von Rechtsanwalt Tarek Alexander Issa 29 Apr., 2020
Vor Inkrafttreten der DSGVO bejahten deutsche Gerichte den Ersatz eines immateriellen Schadens („Geldentschädigung“) nur beim Vorliegen einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung. Die DSGVO enthält mit Art. 82 Abs. 1 DSGVO eine zentrale Schadensersatznorm. Danach hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. Eine besondere Schwere der Rechtsverletzung ist nach dem Wortlaut der Norm somit nicht erforderlich. Erste veröffentlichte Gerichtsentscheidungen zur Frage eines immateriellen Schadensersatzbegehrens nach der DSGVO deuten darauf hin, dass die deutschen Gerichte die früheren Rechtsprechungsgrundsätze zutreffend auch nicht „1 zu 1“ auf die neue Rechtslage übertragen. Aus größtenteils gut nachvollziehbaren Gründen wurde ein „Schmerzensgeld“ nach der DSGVO von den deutschen Gerichten bislang dennoch zumeist verneint. Der Beitrag skizziert
von Rechtsanwalt Tarek Alexander Issa 19 Apr., 2020
Der Beitrag soll einen Überblick zu grundlegenden Fragen der Hemmung der Verjährung von Geldforderungen durch Zustellung eines Mahnbescheids (vgl. § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB) sowie zum regelmäßigen Ablauf eines gerichtlichen Mahnverfahrens (vgl. § 688 ff. ZPO) vermitteln.
von Rechtsanwalt Tarek Alexander Issa 04 Juli, 2019
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 21.02.2019 (Az. I ZR 15/18) entschieden, dass die Vernichtung einer urheberrechtlich geschützten Kunstinstallation durch deren Erwerber und Eigentümer eine Beeinträchtigung des urheberrechtlichen Werkes i. S. d. § 14 UrhG und damit eine Urheberpersönlichkeitsrechtsverletzung darstellt, die grundsätzlich auch Schmerzensgeldansprüche des Urhebers begründen kann.
von Rechtsanwalt Tarek Alexander Issa 22 Okt., 2018
Wenn beide Parteien des einstweiligen Verfügungsverfahrens als Rechtsanwälte tätig sind, kommt eine Vollziehung der einstweiligen Verfügung durch Zustellung von Anwalt zu Anwalt nach § 195 ZPO an den Antragsgegner in Person nur in Betracht, wenn sich der Antragsgegner im Sinne von § 78 Abs. 4 ZPO selbst anwaltlich vertritt. Eine hiernach rechtsfehlerhaft vollzogene einstweilige Verfügung hat das Landgericht Berlin mit Urteil vom 12.06.2018 (Az. 103 O 82/17) aufgehoben.
von Rechtsanwalt Tarek Alexander Issa 23 Aug., 2018
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 22.03.2018 (Az. I ZR 25/17) entschieden, dass das Schreiben eines Inkassounternehmens, das eine Zahlungsaufforderung sowie die Androhung gerichtlicher Schritte und anschließender Vollstreckungsmaßnahmen enthält und nicht verschleiert, dass der Schuldner in einem Gerichtsverfahren geltend machen kann, den beanspruchten Geldbetrag nicht zu schulden, keine wettbewerbswidrige, aggressive geschäftliche Handlung i.S.d. §§ 3 Abs. 1, 4 a Abs. 1 S. 1 UWG darstellt.
Show More
Share by: